II
Michelangelo
Sterbender Sklave
Er ist noch viel sinnlicher, als man von der Abbildung ahnt.
Seine rechte Seite.
Man schaut an der Schulter, von unten, in das von hier etwas verdeckte Gesicht, welches aus dieser Perspektive darauf zu ruhen scheint.
Es ist ein ruhendes 'Gesicht', und es ist ideal schön.
Das linke, angewinkelte Knie und auch das ganze rechte Bein lassen nicht ahnen, was einen erwartet.
Von hinten ist kein Eindruck möglich.
Aber unvorstellbar bereits die linke Seite.
Man sieht an der Linie des linken Oberschenkels hinauf, in die Leistenbeuge hinein. Dort beginnt sich ein Leib zu wölben, der einen auf den Gedanken bringt, nach dem Geschlecht sehen zu wollen. Tut man es, muß man mit der Betrachtung von vorn beginnen, und nimmt sich außerdem viel weg bei der Ansicht von vorn. Aber tut man es nicht, bleibt eine Erregung, die nach oben den Blick führt, unter den Rippenbogen, von dort auf den Brustkasten, von dort zu seiner rechten Hand, von der zurück auf die linke Brustwarze, die mit der Linie des Hinab, über Leib und Schenkel, wieder die Sinnlichkeit erregt; und dann schnellt der Blick nach oben, in die Achselhöhle hinein, gleitet alle sie bildenden Muskeln entlang, und steigt dann in unermeßne Höhe des erhobenen Arms hinauf, um von dort sanft auf der linken Wange zu ruhen, zu streifen, und wieder, über die Hand, hinab, Bauch, Schenkel.
Tritt man etwas zurück, sieht man bereits etwas von der gesamten, hingebenden Haltung, aber vor allem das in dieser Perspektive, wie eines Weibes Antlitz wirkende Gesicht. Was noch verstärkt durch den Arm wird, der trotz seiner Größe weiblich in der Pose ist. (Als ob ,sie' sich hinten das Haar hielte.)
Von vorn aber packt mich die ganze Wucht der erotischen Hingabe. Es will fast scheinen, es wäre ein Weib, welches mit einem leicht angezogenen, linken Bein, und zart zur Brust fassender, rechter Hand, und mit hinter dem Kopf verschränkten, erhobenem, linken Arm, träumend, geschlossenen Auges daliegt.
Das Geschlecht, zwischen den Schenkeln, leicht auf den Innenseiten der Schenkel aufliegend. Von einer Zugänglichkeit, Reinheit, die an die Hand, weiter oben, denken läßt. Aber es ist das Geschlecht, zwischen Hand und Knie, das, worum es sich handelt.
Was ihn berührt, ist ein seelischer Vorgang, den er schaut und erleidet, und dem Körper ist es schon widerfahren.
Im Stein, hinter der Figur, ist ein Affe angelegt.