Schafe nach der Schur

Sie sehen zwar sehr weiß aus, haben aber rohe Wunden, die noch lange salzig in der Sonne brennen.
Die vorher holzstöckelnd steifen Beine sind nun von geknickter Gelenkigkeit. Sie
springen, nein, sie hammeln, gewissermaßen belämmert, darauf herum, daß ihre
faden Schwänze senkrecht in der Luft liegen.
Jeder Muskel zeigt sich, noch zitternd, am kahlen Körper.
Ab und an rennt manches Schaf für sich in eine andere Richtung. Doch es steht
gleich starr wie unterm Scherer.
Später, grundlos und den zottigen Hunden entgegen, bricht alles aus. Zum alten Stall.
Welche blöken geziert.
Andere gleichen, mit abgestellten Ohren, sogar lauschenden Rehen. Oder es scheint,
als möchten sie fliegen.
Einem sind am Leib schmale Wollstreifen verblieben. Dieses nicht ganz so
Neugeschorene vollbringt noch bockigste Sätze.




Thomas Körner: Frühe Prosa © Acta litterarum 2011